BGH 17.10.2022: Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch – Verjährung
Die Beklagte hatte gegen über dem Urheber eines Fotos, dem Fotografen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abgegeben, d.h., die Höhe der Vertragsstrafe solle bei Zuwiderhandlung durch den Gläubiger nach billigem Ermessen bestimmt werden und durch ein Gericht überprüfbar sein. Der Fotograf machte wegen Aufrechterhaltung der Nutzung des Fotos im Internet in 2014 die Vertragsstrafe gegen Ende 2016 geltend. Nach Zugangsvereitelung weiterer Zahlungsaufforderungen klagte er die Vertragsstrafe dann in 2019 ein, die Vorinstanzen hielten die Forderung aber für verjährt. Sie gingen vom Entstehen des Anspruchs auf Vertragsstrafe bereits mit Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung, also mit Ablauf des Jahres 2014 aus, was zur konsequenten Annahme einer Verjährung Ende 2017 führen würde. Anders der BGH: im Unterschied zu einer fest vereinbarten Vertragsstrafe, bei welcher die Verjährung mit Verstoß gegen die Unterlassungspflicht beginne, sei hier die Festlegung der Höhe der Strafe durch Bezifferung seitens des Gläubigers maßgeblich für die Verjährung (Ende 2016),
erst hierdurch werde der Anspruch einklagbar fällig. Zwar sieht auch der BGH, dass bei dieser Rechtseinordnung der Gläubiger beliebig bestimmen könne, wann die Verjährung zu laufen beginnt, indem er die Höhe der Strafe festlegt. Der hierdurch entstehenden Rechtsunsicherheit zu Lasten des Schuldners tritt der BGH mit dem Argument entgegen der Gläubiger habe regelmäßig ein Interesse daran, durch die Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts die Fälligkeit und damit die Durchsetzbarkeit seines Vertragsstrafeanspruchs bald herbeizuführen
Dieses rein faktische Argument überzeugt rechtlich wenig. Aus hiesiger Sicht wäre dem Hauptziel der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden für beide Seiten zu schaffen, besser gedient, nicht von einem derartig beliebigen, allein im Gutdünken des Gläubigers stehenden Zeitpunkt auszugehen. Dieser ist beliebig verschiebbar über Jahre. Das weitere Argument, der Schuldner könne Klage auf Bestimmung der Vertragsstrafe nach § 315 Abs.3 BGB erheben und durch Gestaltungsurteil die Höhe der Strafe festlegen lassen, erscheint reichlich außerhalb der Lebenswirklichkeit: welcher potentielle Schuldner klagt freiwillig um eine gegen ihn gerichtete Strafe der Höhe nach vollstreckbar festsetzen zu lassen?
Freilich verweist der BGH auf den Einwand von Treu und Glauben, wenn der Gläubiger sich zu lange Zeit lässt. Die Festlegung wie im konkreten Fall mehr als 2,5 Jahre nach dem Verstoß zeigt aber die rechtlichen Unwägbarkeiten bereits auf, effektiv hielt der BGH einen strafbewehrten Verstoß aus 2014 als im Jahre 2019 noch nicht für verjährt.
Überträgt man die Urteilsgründe auf wirtschaftlich relevantere Anwendungsfelder, z.B. die Vertragsstrafeforderung bei Geheimhaltungsverstoßen (Non-Disclosure-Agreements), vermag sich eine gewaltige Verzögerung der Ahnung von (behaupteten) Verstößen erheben, welche zu mehrjährig nachlaufenden prozessualen Auseinandersetzungen mit erheblichen Klageforderungen führen mag.