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1. LAG Düsseldorf 12.03.2021: Urlaubskürzung bei Kurzarbeit

Die Klägerin klagte restliche, bisher nicht gewährte Urlaubstage des Jahres 2020 ein, das Unternehmen verweigerte dies unter Hinweis auf Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020. Der Arbeitgeber kürzte für diese drei Monate den Urlaubsanspruch jeweils um 1/12tel des Jahresurlaubsanspruchs. Das LAG bestätigte dies als richtig unter Verweis auf EuGH-Rechtsprechung, wonach Kurzarbeiter in dieser Konstellation wie Teilzeitarbeitnehmer anzusehen seien, denen ebenfalls nur im Verhältnis der Arbeitszeit zur Vollarbeitszeit Urlaub gewährt wird (z.B.   Teilzeit in 4 Tagewoche – 16 Arbeitstage Mindesturlaub anstelle 20). Die Entscheidung ist zwar vordergründig konsequent, jedoch fragwürdig. Es besteht gerade keine gesetzliche Norm zum Verhältnis von Kurzarbeit zu Urlaub. So regelt bspw. § 9 BUrlG, dass während einer Erkrankung Urlaub nicht als genommen gilt. § 17 BEEG regelt die Kürzung von Urlaub bei Elternzeit. Aus unserer Sicht greift der Vergleich mit Teilzeit zu kurz. Bei Teilzeit richtet sich nämlich der Arbeitnehmer auf vertraglicher Grundlage von vorn herein darauf ein, nur eine bestimmte Arbeitszeit erbringen zu müssen und hierfür auch nur eine reduzierte Anzahl Urlaubstage nehmen zu müssen bzw. zu bekommen. Dies ist bei Kurzarbeit nicht vergleichbar der Fall. Kurzarbeit „erwischt“ Arbeitnehmer letztlich mehr oder weniger überraschend, ist damit nicht planbar. Auch wenn Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null nicht arbeiten müssen, ist immer möglich, dass sich dies kurzfristig ändert, weil wieder Arbeit zur Verfügung steht. Eine Erholung im eigentlichen Sinne der Urlaubsinanspruchnahme ist daher nicht vergleichbar möglich. Urlaubsreisen sind nicht längerfristig planbar, der Arbeitnehmer kann sich im Regelfall wegen der kurzfristigen Rückrufbarkeit und –erwartung uch nicht einfach für zwei, drei Wochen „ins Ausland absetzten“ zur „Urlaubs“-Inanspruchnahme während der Kurzarbeit. Die Gleichbehandlung mit der Kürzung mit Teilzeitarbeitskräften ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitnehmer für eine bestimmte Dauer darauf verlassen kann, dass diese Zeit bei Kurzarbeit Null belassen wird. Erst im Nachgang zu beurteilen, dass tatsächlich durchgehend keine Arbeitspflicht bestand und daher keine Urlaubsanspruch entstanden sei, ist nicht sachgerecht, weil dem Arbeitnehmer die Dispositionsbefugnis über seinen Urlaubsanspruch entzogen wird.

2. BAG 21.01.2021: Entgelttransparenzgesetz-Vermutung für geschlechterspezifische Minderzahlung einer Frau – Anpassung nach oben

Die klagende Abteilungsleiterin hatte Auskunft über den Median des Vergleichsentgelts männlicher Abteilungsleiter nach EntGTranspG vom Arbeitgeber erhalten und ein eigenes, geringeres Entgelt festgestellt. Sie verlangte Anpassung nach oben. Das BAG nimmt das Vorliegen einer geschlechterspezifischen Benachteiligung an. Es sieht die Vermutungswirkung des § 22 AGG als einschlägig an, wonach Indizien für die Annahme einer AGG widersprechenden Benachteiligung genügten, um die Vermutung für eine im AGG geregelte Benachteiligung (Geschlecht, Herkunft etc.) zu begründen. Dies kehrt die Beweislast um, konkret hat der sich Arbeitgeber also zu entlasten, warum keine geschlechterspezifische schlechtere Bezahlung vorliegt. Denkbar wäre hier aus unserer Sicht primär, dass sämtliche höher bezahlten Mitarbeiter der Vergleichsgruppe über manifeste Mehrqualifikationen verfügen oder spezifische Zusatzaufgaben haben etc.

3. ArbG Siegburg, 11.11.2020: Kurzarbeit ohne Regelung-Vergütungspflicht
Der Arbeitsgeber ordnete Kurzarbeit an, weder Arbeitsvertrag noch sonstige betriebliche Regelung enthielten aber eine Klausel zur Verpflichtung, Kurzarbeit zu leisten. Der Arbeitnehmer leistete weniger Arbeit, abgerechnet wurde eine als „Kurzarbeitergeld“ bezeichnete Vergütung. Der Arbeitnehmer kündigte selbst außerordentlich und klagte den vollen Lohn ein – lt. Arbeitsgericht zu Recht.
Ohne rechtliche Grundlage besteht keine Möglichkeit zur Verkürzung der Arbeitszeit unter Vergütungskürzung zu Lasten des Arbeitnehmers. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit fällt zunächst unter das klassische Betriebsrisiko des Unternehmers. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Entscheidung der Berufungsinstanz bleibt mit Spannung zu erwarten.

 

4. Arbeitsgericht Offenbach, 04.02.2021: Einstw. Verfügung Zugang zum Arbeitsplatz
Der Arbeitnehmer versuchte per einstweiliger Verfügung Zugang zum Werksgelände zu bekommen, um seine Arbeit fortzusetzen. Der Zutritt war ihm verwehrt worden, nachdem er die Teilnahme an einem PCR-Test verweigerte. Der Arbeitnehmer berief sich auf das Recht auf freie Selbstbestimmung, nur im Rahmen der hierdurch gezogenen Grenzen dürfe der Arbeitgeber sein Direktionsrecht ausüben. Etliche Arbeitnehmer des Betriebs, so auch der Kläger, hatten die Teilnahme an Schnelltests verweigert, der Betrieb kürzte den Lohn.

Das Arbeitsgericht ließ offen, ob durch eine Betriebsvereinbarung die Teilnahme an Schnelltests angeordnet werden dürfen oder nicht. Jedenfalls fehle es für die einstweilige Verfügung an der erforderlichen Dringlichkeit, den Betrieb seitens des Arbeitnehmers wieder betreten zu können um zu arbeiten.


5. EuGH 09.03.2021: Rufbereitschaft = Arbeitszeit?

Im Vorabentscheidungsverfahren waren zwei Fälle vorgelegt, zum einen der eines Feuerwehrmanns mit Rufbereitschaft welche binnen 20 min auf der Wache im Fall der Alarmauslösung zu erscheinen hatte. Zum andren ein Servicetechniker, welcher Fernmeldeanlagen zu warten hatte, im Zweifel aber binnen 1 h am Einsatzort sein musste. Aufgrund der geografischen Lage in den slowenischen Bergen musste sich der Techniker faktisch in der Nähe der Anlagen aufhalten – ohne dass hierzu ein rechtlicher Zwang bestand. Der Feuerwehrmann stellte maßgeblich auf die Kürze der Zeit ab welche ihn hinderte, anderweitig seine Zeit auszufüllen als in der Nähe des Einsatzortes zu bleiben. Beide begehrten die Einordnung der Rufbereitschaft als (ggf. voll vergütungspflichtige) Arbeitszeit. Der EuGH beton indes, dass rein faktische Einschränkungen der Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich eigenen Interessen zu widmen nur dann heranzuziehen sind, wenn sie nach objektiver Sichtweise ganz erheblich sind. Im Regel fall ist dies nicht gegeben, wenn bloße organisatorische Schwierigkeiten oder weniger Freizeitmöglichkeiten aufgrund natürlicher Gegebenheiten einschränken. Für die Beurteilung sei z.B: die konkrete Frist, binnen derer der AN am Arbeitsplatz zu erscheinen habe, mit zu betrachten. Auch das Erscheinen mit spezieller Ausrüstung in der Rufbereitschaft sei ein Kriterium der Abwägung. Auf der Kehrseite sind in die Gesamtabwägung der Einschränkungen auch Vorteile einzustellen, wie die Stellung eines Dienstwagens. Hinzu kommt die Beurteilung der durchschnittlichen Häufigkeit des Einsatzes während der Rufbereitschaft.

Anhand dieser Kriterien ist im jeweiligen Einzelfall die Einordnung der Rufbereitsahft als Arbeitszeit vorzunehmen oder eben nicht.