Newsletter corporate 2018 II

1. INTERNATIONALES HANDELSRECHT / VERTRAGSRECHT / LIZENZRECHT

1.1. Court of Appeal UK 18.06.2018: Weitreichende Haftungsfreizeichnung

Die Beklagte hatte ein Sprinklersystem 2002 installiert, welches im Brandfall nicht ordnungsgemäß funktionierte. Vertragliche Ansprüche bestanden nach Ablauf der 6jährigen Kaufgewährleistungsfrist des Limitation Acts nicht mehr. Die AGB der Beklagten sahen einen weitreichenden Haftungsausschluss vor. Das Gericht hatte die Klausel nach dem Unfair Contract Terms Act zu beurteilen sowie einzuordnen, ob die Klausel überhaupt auf Claims wegen Negligence anwendbar sei: “We exclude all liability, …or otherwise caused to your property, …, directly or indirectly resulting from our negligence or delay or failure or malfunction of the systems for whatever reason. In the case of faulty components, we include only for the replacement. As an alternative to our basic tender, we can provide insurance to cover the above risks. Please ask.” Der Beklagten entstanden Sach- und Vermögensschäden i.H.v. 6,6 Mio. Pfund, der Warenwert der Lieferung in 2002 betrug 8.000 Pfund. Das Gericht hält die AGB Klausel für nicht unangemessen, sei doch der geschädigten Klägerin schon aus der Formulierung heraus bewusst geworden, dass das Vorhalten einer Versicherung zur Kompensation von Schäden sinnvoll und nötig sei. Sofern die Klägerin nicht über eine eigene Versicherung bei Vertragsschluss verfüge, habe sie das durch die Beklagte unterbreitete Angebot zum Abschluss einer Versicherung annehmen können. Zudem müsse der Vertragswert von 8.000 Pfund im Blick behalten werden. Dieser rechtfertige einen weitreichenden Haftungsausschluss. Auch der Umstand, dass die Haftungsfreizeichnung auch Schäden wegen Gesundheit und Leben betreffe – eine solche Freizeichnung ist nach Sec. 2(1) Unfair Contract Terms Act nicht zulässig – hindere die Wirksamkeit der Klausel nicht. Dieser Teilaspekt könne „herausgestrichen werden“, die Klausel bleibe im Übrigen wirksam. Anmerkung: Die Rechtslage wäre bei Anwendung Deutschen Rechts aus mehreren Gründen abweichend zu beurteilen, nämlich unter Annahme der Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses. Zum einen wäre die Trennung der Klausel am AGB-rechtlichen Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gescheitert. Zum anderen liegt eine unangemessene Abweichung von der deutschen gesetzlichen Konzeption vor. Die Entscheidung zeigt im Ergebnis gut, dass eine pauschale Wahl Deutschen Rechts in internationalen Verträgen nicht per se die bessere Wahl bedeuten muss, gerade angesichts unserer rigiden AGB-Rechtsprechung.

 

1.2. BGH 22.04.2018: Gerichtstandvereinbarung - Handelsbrauch

Die Klägerin überführte eine gebrauchte Anlage nach Demontage von Deutschland nach Österreich und baute sie dort wieder auf. Angebot und AGB der Klägerin enthielten eine Rechtswahl zu Gunsten Deutschen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts, Gerichtsstand sollte hiernach Nürnberg sein. Der vor dem LG Nürnberg-Fürth erhobenen Zahlungsklage entgegnete die Beklagte unter Verweis auf mangelnde internationale Zuständigkeit des Gerichts, die Gerichte in Österreich seien zuständig. Der BGH verwies zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurück. Er hält jedenfalls das Zustandekommen einer wirksamen Gerichtsstandvereinbarung (Nürnberg) für nicht gegeben, weil diese nicht dem Formerfordernis des Art. 15 Abs. 1 EuGVVO entspräche. Weder Angebot noch AGB seinen schriftlich einbezogen. Auch liege keine schriftliche Bestätigung einer bereits getroffenen mündlichen Vereinbarung vor – die Annahme des Vertragsangebots erfolgte durch die Beklagte nur mündlich. Selbst wenn also eine Willenseinigung insofern vorgelegen habe, hindere die Nichteinhaltung der Form eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung.

Der BGH betont aber die Möglichkeit des Zustandekommens eine Gerichtsstandabrede durch internationalen Handelsbrauch. Dem hätte das OLG nachgehen müssen, nämlich durch Untersuchung, ob der Geschäftszweig der Parteien üblicherweise die Gerichtsstandabrede mündlich zulässt. Hierbei kann das OLG im Freibeweis vorgehen, ist also nicht an konkrete Beweisanträge der Parteien gebunden. Die Klägerin hatte hierzu u.a. auch mehrere AGB anderer Anbieter vorgelegt, die ähnliche Klauseln zu Gunsten Deutscher Gerichte im Dt.-Österreichischen Rechtsverkehr enthielten. Angesichts dessen hätte das OLG Anlass gehabt, der Behauptung eines Handelsbrauchs nachzugehen.

1.3. Gesetzesentwurf 04.10.2018 - Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Der zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/943 erlassene Gesetzentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen liegt nunmehr vor. Er greift zahlreiche, in NDA/Geheimhaltungsvereinbarungen üblicherweise enthaltenen Aspekte auf, sieht aber durchaus auch abweichende Reglementarien vor. So ist grundsätzlich das reverse engineering gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 2b) des Entwurfs erlaubt, wenn der Gegenstand berechtigt im Besitz des Rückentwickelnden befindet und diesem nicht ausdrücklich ein derartiges Unterfangen verboten wurde. Dies zeigt, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes detaillierte Regelungen im NDA nötig sein werden. Auf der anderen Seite definiert der Entwurf gravierende Sanktionen bis hin zum expliziten Rückruf verletzender Produkte, umfassende Auskunftsansprüche gegenüber dem Rechtsverletzter einschließlich Auslieferungsmengen und Kaufpreise, auch wenn dies natürlich nicht den Umfang der Informationen erreicht, der z.B. nach us-amerkanischer discovery procedure ggf. zu erlangen wären. Gleichwohl sollten künftig die ökonomischen Folgen verletzender Handlungen besser kompensiert werden können. Die Möglichkeit eines vereinfachten Schadensnachweises wird eröffnet, gem. § 10 Abs. 2 des Entwurfs kann hierfür der Betrag herangezogen werden, den der Verletzer bei Einholung der Erlaubnis dem Verletzen hätte zahlen müssen (Lizenzanalogie).

1.4. BFH vom 07.12.2017: Fehlerhafte Anwendung Deutschen Rechts
Gegenstand des Steuerverfahrens war die Nichtausübung einer Kaufoption durch den Steuerpflichten im Zusammenhang mit einem Vertriebsvertrag von Filmlizenzen, welche kalifornischem Recht unterliegen sollte. Das Finanzamt nahm eine gewinnerhöhende Korrektur der Bilanz der Deutschen Gesellschaft vor. Der BFH stellt für den vorliegenden Fall heraus: schwebende Geschäfte führen nicht zur Aktivierung, solange der Leistungsverpflichtete seine Leistung nicht erbracht hat. Die Bestimmung des Leistungsinhalts hat anhand des Vertrags zu erfolgen, hier nach kalifornischem Recht. Der BFH rügte die durch das Finanzgericht vorgenommene Auslegung des Vertrags nach Deutschem Recht, das Vordergericht verwies explizit auf die Auslegungsmethoden der §§ 133, 157 BGB. Dies war rechtsfehlerhaft und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Die Entscheidung demonstriert gut die erhebliche Relevanz von Rechtswahlvereinbarungen auch auf Bereiche, welche nicht unmittelbar mit der Vertragsabwicklung Berührung haben.

2. GESELLSCHAFtSRECHT

2.1 OLG Thüringen 15.06.2018: Ankündigungsfrist Tagesordnung § 51 IV GmbHG

Der Kläger griff die Ordnungsgemäßheit der Ankündigung ergänzender Tagesordnungspunkte zur Gesellschafterversammlung vom 29.07. an. Die ergänzenden Punkte waren erst am 25.07. versandt worden, fraglich war, ob die Mindestfrist von 3 Tagen gem. § 51 Abs. 4 GmbHG eingehalten war. Das OLG betont den Wortlaut der Norm, wonach die Ankündigung drei Tage „vor“ der Versammlung zu erfolgen haben, mithin der 29.07. also selbst nicht mitzählte. Es komme aber für die Bestimmung der Frist weder auf den tatsächlichen Zugang noch den Tag der Absendung an, vielmehr seien die drei Tage der Norm zuzüglich der üblichen Postlaufzeit zu bestimmen, letztere Frage ist streitig, das OLG nimmt hierfür 2 Werktage an. Die übliche Norm für den Fristbeginn des § 187 Abs. 1 BGB (Ereignistag zählt nicht mit) sei nicht anzuwenden, d.h. der Tag des möglichen ersten Zugangs ist voll mitzuzählen, dies sei der 26.07. Dies war mit der Absendung per 25.07. nicht mehr erreichbar, weil eine übliche Postlaufzeit von 2 Werktagen anzunehmen sei. Die Ankündigung war daher als verspätet zu beurteilen, die diesbezügliche Beschlussfassung anfechtbar.

3. ARBEITSRECHT

3.1. BAG 17.10.2018 – Vergütung von Reisezeiten

Das BAG hatte sich neuerlich mit der Frage zur Vergütung von Reisezeiten zu befassen. Im Wesentlichen der Fall: Die Flugreisezeiten des AN nach und von China wurden lediglich mit 8 h je Reisetag vergütet, der AN verlangte auch die übrige Mehrreisezeit bezahlt, maßgeblich auf Basis des anwendbaren Tarifvertrags. Das LAG sprach dies zu, das BAG bestätigte im Wesentlichen, verwies zur weiteren Aufklärung jedoch zurück. Abseits der in Frage stehenden tariflichen Regelung ist für nicht tarifgebundene AG vor allem interessant, ob eine Vergütungspflicht der Reisezeit aus § 612 BGB abgeleitet werden kann („Vergütung in Höhe der üblichen Vergütung“). Hierfür ist Voraussetzung, dass keine Vergütungsregelung besteht und dass eine subjektive Vergütungserwartung des AN vorliegt. Es ist - solange die Urteilsgründe des BAG nicht vorliegen, ist eine abschließende Beurteilung des Entscheidungsinhalts nicht möglich – denkbar, überschießende Reisezeiten explizit von der Vergütungspflicht auszuschließen, vorausgesetzt natürlich, der Mindestlohn gerechnet auf die Gesamtarbeitszeit wird im Schnitt erreicht. AG sind schon jetzt gut beraten, den Bestand einer Vergütungsvereinbarung für Reisezeiten im Betrieb zu prüfen und ggf. durch Abschluss entsprechender Vereinbarung Vorsorge zu treffen.

3.2. BAG 25.04.2018: Vergütung für die Fahrt zum ersten Kunden
Einen ähnlichen Sachverhalt hatte das BAG zu beurteilen zur Frage, inwieweit Reisezeit zum ersten Kunden des Tages vergütungspflichtig sei. Der Aufzugmonteur reiste direkt von zu Hause zum Kunden an und entsprechend zurück vom letzten Kunden. Der durch den Arbeitsvertrag in Bezug genommene Tarifvertrag sah im Nahbereich bis 80 km eine Pauschalzahlung für den Mehraufwand außerhalb der Arbeitszeit vor, regelte jedoch explizit: „eine Vergütung für den Zeitaufwand der Hin- und Rückreise erfolgt nicht“. Das BAG konstatiert, dass mit den Fahrten zwar fremdnützige Arbeit geleistet werde, aber aufgrund vorstehender Tarifregelung die Zahlung einer gesonderten Vergütung hierfür ausgeschlossen sei. Zwar gehörte die Anfahrt zum Kunden zu den wirtschaftlichen Hauptpflichten des Arbeitnehmers, die Anfahrt sei Teil des unternehmerischen Konzepts, in das der Monteur eingebunden ist. Deshalb komme es in dieser Konstellation nicht darauf an, ob die Anfahrt vom Betrieb aus oder unmittelbar vom Wohnsitz aus erfolge. Auch in diesem Fall war also entscheidend, dass eine explizite Regelung zur Vergütung von Reisezeiten vorlag. Allerdings darf in der Gesamtzahl der Stunden der Arbeitszeit der Mindestlohn nicht unterschritten werden. Ist keine explizite oder hinreichend deutliche Regelung vorhanden, tendiert das BAG zur Gleichbehandlung von Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und vergütungspflichtiger Arbeitszeit, dies dürfte die ungünstigste Variante darstellen (vgl. BAG 26.10.2016).

3.3. BAG 18.09.2018: Verfallklausel und Mindestlohn
Die letzten Jahre waren u.a. durch divergierende Entscheidungen zur Frage, inwieweit eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit für Ausschlussfristenklauseln drohe, sofern diese nicht explizit gesetzlich nicht abdingbare Ansprüche vom Verfall/ Ausschluss ausnehmen. Dies kann z.B. bei Einbezug von Schadensfällen an der Gesundheit und für Vorsatzfälle zur Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führen. Mit vorliegendem Urteil hat das BAG nun Klarheit geschaffen, dass Ausschlussklauseln welche nicht explizit Ansprüche auf Mindestlohn vom Verfall ausnehmen, vollunwirksam sind sofern der Vertrag ab dem 01.01.2015 geschlossen wurde. Aufgrund des Verbots geltungserhaltener Reduktion kommt auch keine Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen in Betracht. Relevanz entfaltet diese neuerliche Konkretisierung der Rechtsprechung also auch für Arbeitsverhältnisse, welche deutlich besser dotiert sind und bei welchen die Mindestlohnthematik deshalb ersichtlich keine Rolle spielt. Auch für diese Arbeitsverhältnisse greift bei ungenügender Formulierung die Vollunwirksamkeit der Klausel, so dass ein Ausschluss von Ansprüchen auch für diese, besser dotierten Arbeitsverhältnisse nicht in Betracht kommt.

3.4. BAG 25.09.2018: keine Schadenspauschale (40,00 EUR) bei Lohnverzug
Dem Wortlaut nach fällt die im novellierten § 288 Abs. 5 BGB vorgesehene Pauschale von 40,00 EUR auch bei nur einem Tag verspäteter Lohnzahlung an. Dem erteilte das BAG eine Absage unter Bezugnahme auf § 12a ArbGG, wonach in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht keine Erstattung von Beitreibungskosten stattfinde. Das BAG sieht diese Regelung auch auf vorprozessuale materielle Ansprüche erstreckt an, die geltend gemachten Pauschalen für 3 Monate von 120,00 EUR fielen nicht an.