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BAG 02.06.2022 – Kündigung Schwerbehinderter ohne I-Amt, Entschädigung nach AGG

Der Kläger war nicht formell als Schwerbehinderter anerkannt, er hatte zum Zeitpunkt der Kündigung auch noch keinen Antrag auf Anerkennung gestellt. Die Kündigung ihm gegenüber erfolgte ohne Beteiligung des Integrationsamts. Im Kündigungsschutzrechtsstreitverglich man sich vor dem Arbeitsgericht. Umso erstaunlicher nutzte der Kläger die (insoweit mutmaßlich unzureichende) Formulierung des Vergleichs und klagte nachfolgend eine Entschädigung nach § 15 AGG ein, weil er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sie. Er stütze dies auf eine durch ihn behauptete Offenkundigkeit der Schwerbehinderung (Lähmung nach Schlaganfall).

Dem folgten die Gerichte nicht, weil den gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Offenkundigkeit einer bestehenden Schwerbehinderung zu schließen gewesen sei zum Zeitpunkt der Kündigung. Jedoch betont das BAG, wenn auch nicht fallentscheidend:  Die Verletzung der Schutzvorschriften für Schwerbehinderte nach § 168 SGB IX können die Vermutungswirkung des § 22 AGG hinsichtlich einer Ungleichbehandlung auslösen. Hierzu gehört auch der Nichteinbezug des Integrationsamts dort, wo die Schwerbehinderung bekannt bzw. offenkundig ist. Liegt ein solcher Fall vor, wird der Arbeitgeber den Gegenbeweis gegen die Vermutung des § 22 AGG nur schwer erbringen können, um der Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern zu entgehen. Eine Kündigung ohne I-Amtsbeteiligung „ins Blaue hinein“ verbietet sich damit auch aus diesem Grund bei Vorliegen einer Schwerbehinderung.