OLG München 18.05.2021: einstweilige Verfügung gg Zwangseinziehung GmbH-Anteil – Start Up
Der betroffene Gesellschafter wurde „Opfer“ der Zwangseinziehung seines GmbH-Anteils. Das OLG hatte sich mit der Frage, inwieweit die zwischenzeitlich geänderte Gesellschafterliste zu korrigieren sei, im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu befassen. Der Investor ging vom Vorliegen eines so genannten „Bad Leaver Events“ aus und triggerte damit Kündigung und Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund. Nachfolgend speicherte der Abberufene zahlreiche Dokumente auf Laptop und Speichermedium. Dies machte der Investor zum Vorwurf und zog nun auch die GmbH-Anteile des Abberufenen ein.
Folge der Anteilseinziehung ist im Regelfall das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte nach der Satzung, so auch hier. Mit dem Verfügungsantrag erstrebte der Gesellschafter die Behandlung als Gesellschafter bis zur Entscheidung der Hauptsache Korrektur der zwischenzeitlich eingereichten Gesellschafterliste. Das OLG lässt es genügen dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unwirksamkeit der Einziehung besteht. Insbesondere ist ein Fehlverhalten des Gesellschafter-Geschäftsführers nach dessen Abberufung/Kündigung nur noch dann für eine Einziehung heranzuziehen, wenn aufgrund der Pflichtverletzung auch ein Verbleiben seiner Person als Gesellschafter den übrigen Gesellschaftern unzumutbar ist. Im Gegensatz zu anderen OLG (so zum Beispiel OLG Jena), welche eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Unwirksamkeit der Einziehung fordern, orientiert sich das OLG München an einem BGH-Urteil des Jahres 2019, wonach „selbst für den Fall eine möglicherweise fehlerhaften Einziehung“ dem Gesellschafter ein effektives Mittel an die Hand gegeben werden muss. Freilich könne auch ein Fehlverhalten als Geschäftsführer zu einer Zerrüttung des Gesellschafterverhältnisses führen, so dass ein gedeihliches Miteinander ausgeschlossen sei. Diese Schwere erreichte die Pflichtverletzung im entschiedenen Fall nach Meinung des OLG nicht. Der zentrale Vorwurf des „missbräuchlichen Datenklaus“ reiche nicht aus. Geschäftsführer habe auf die Daten während seiner Tätigkeit ohnehin Zugriff gehabt, auch sei aus der Menge der heruntergeladenen Daten nicht anzunehmen, dass diese nicht für seine Rechtsverteidigung gebraucht würden, sondern für missbräuchliche Zwecke. Das OLG thematisiert weiter, dass auch die Gesamtschau von Vorwürfen die Einziehung rechtfertigen kann, wenn diese als Einzelvorwürfe nicht ausreichten. Hierbei verliert der wichtige Grund mit Zeitablauf an Gewicht. Im Fall war maßgeblich, dass sich die Gesellschaft sechs Monate nach dem angeblichen Datenklau Zeit ließ bis zur Geltendmachung der Bad Leaver Option. Gerade weil sich die GmbH in der Start-Up Phase befand, sei es umso wichtiger, eine zeitnahe Regelung zu treffen, da gerade bei einem solchen Unternehmen in der Zwischenzeit bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Hauptsacheentscheidung Beschlussfassungen über richtungsweisende Maßnahmen der Gesellschaft regelmäßig stattfinden werden und sich hieraus Entscheidungen zu Lasten des „Gesellschafters“ ergeben könnten. Hieraus leitet das OLG den erforderlichen Verfügungsgrund (Eilbedürfnis) ab für den Erlass der einstweiligen Verfügung. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene lediglich Minderheitsgesellschafter und insofern ohnehin nicht viel Einfluss geltend machen konnte. Schon das dem Gesellschafter zustehende Informationsrecht auch eines Minderheitsgesellschafters zeige die Bedeutung einer zeitnahen Interimsregelung.