BGH, 09.01.2024: Abberufung Geschäftsführer GmbH, Rechtsschein des Handelsregister nach § 15 HGB
Die GmbH hielt einen wesentlichen Vermögensgegenstand, ein Grundstück. 2017 erklärte der Geschäftsführer für die GmbH in einem „letter of guarantee“, die GmbH werde keine Verfügung hierrüber ohne Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin (16.250 EUR) vornehmen. Er wurde mit Stimmen der Mehrheitseignerin in 2018 abberufen, jene betrieb auch die Einziehung des Minderheitsgeschäftsanteils von 8.750 EUR. Nachfolgend verkaufte die GmbH, vertreten durch den abberufenen Geschäftsführer, das Grundstück, die Mehrheitseignerin focht an und verlange Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkungen. Das OLG hielt die GmbH für wirksam vertreten beim Grundstücksverkauf, weil die Abberufung des Geschäftsführers nichtig gewesen sei. Dies weil die Mehrheitseignerin kein Selbsthilferecht zur Einberufung der Versammlung nach § 50 III GmbHG gehabt habe. Der BGH sah dies anders. Denn der Geschäftsführer hatte auf Verlangen zunächst eine Versammlung einberufen, allerdings ohne ordnungsgemäße Unterschrift und damit nicht dem Schriftformerfordernis entsprechend. Die Mehrheitseignerin musste hier kein zweites Einberufungsverlangen an den Nochgeschäftsführer richten – das Selbsthilferecht steht ihr bereits nach unwirksamer Ersteinladung zu. Damit scheitert die Abberufung jedenfalls nicht an der mangelnden Einladung, wie das OLG annahm. Der BGH geht jedoch davon aus, dass die GmbH die Verkaufserklärung des (abberufenen) Geschäftsführers nach § 15 HGB (Publizität des Handelsregisters) gegen sich gelten lassen muss.
Die Abberufung des Geschäftsführers ist eine eintragungspflichtige Tatsache. Selbst die Kenntnis des Grundstückerwerbers vom – in seiner materiellen Wirksamkeit streitigen - Abberufungsbeschluss hindere nicht per se. Das Gericht meint, zwischen Kenntnis vom Abberufungsbeschluss und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung differenzieren zu müssen und zu können. Es komme hierfür darauf an, ob die erlangte Kenntnis der Umstände im Einzelfall geeignet ist, zwingend positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung zu vermitteln, was die GmbH zu beweisen hätte. Schon wenn der Geschäftsführer sich gerichtlich gegen die Abberufung wehrt, könne dies Zweifel an der wirksamen Abberufung begründen. Aus unserer Sicht führt dies sehr weit, lassen sich doch fast immer Zweifel an der Wirksamkeit begründen – unsere jahrzehntelange Erfahrung in Anfechtungsstreitigkeiten zur Abberufung lässt diese These halten.
Der BGH „rettet“ über das Instrument des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Wenn beim Vertragspartner – hier Grundstückserwerber – massive Verdachtsmomente aufkommen mussten, welche die Notwendigkeit einer Rückfrage bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt. Hierzu wies der BGH an das OLG zur weiteren Aufklärung zurück, der Grundstückserwerber hatte behauptet, auf den Rechtsrat des Notars vertraut zu haben, der Grundstückserwerb bedürfte auf Verkäuferseite keines Gesellschafterbeschlusses der Verkäuferin, was aber objektiv zweifelhaft und beweisbedürftig ist, handelte es sich bei dem Grundstück doch um den wesentlichen Vermögensgegenstand der GmbH – mithin ein Grundlagengeschäft außerhalb der regulären Geschäftsführung.