BGH 06.10.2022: Zugang von Emails im geschäftlichen Verkehr
Der BGH griff einen alten Streitpunkt auf, wann eine Willenserklärung per Email im Geschäftsverkehr als zugegangen gilt. Die Klägerin machte mit anwaltlicher erster Email am 14.12. 09.16 Uhr Restwerklohnforderungen von 14 TEUR geltend. Mit zweiter Email der Anwälte von 09.56Uhr stellten diese klar, dass in der Gelendmachung noch keine verbindliche Schlussrechnung liege, die Forderung also noch geprüft werde. Die Beklagte zahlte am 18.12. nur den in der Erstmail geltend gemachten Betrag. Die mit der später durch die Klägerin gesendeten Schlussrechnung mit höherem Betrag geltend gemachte Differenz beglich sie nicht. Das Gericht sah in der Erstmail ein Angebot zum Vergleichsschluss der Klägerin, welches die Beklagte durch Zahlung angenommen habe. Den Vorbehalt der anwaltlichen zweiten Mail, es könnten noch Nachforderungen kommen, ließ der BGH unbeachtet. Hierin läge weder eine Anfechtung noch ein Widerruf. Eine E-Mail sei im geschäftlichen Verkehr dann dem Empfänger zugegangen, wenn sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen sei. Ein Widerruf der Erstmail ist nach den Regeln des BGB nur möglich, solange sie noch nicht zugegangen war gem. § 130 BGB. Dies war aber unmittelbar der Fall, die Zweitmail konnte daher an der Wirksamkeit der Willenserklärung nichts ändern. „Der Umstand, dass die Annahme der Beklagtendurch Zahlung am 18.12. zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem sie aufgrund der zweiten E-Mail der Klägerin vom 14.12. bereits Kenntnis
davon gehabt habe, dass die Klägerin ihrerseits an dem Vergleichsangebot nicht habe festhalten wollen, könne - auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben - weder an der Annahmefrist noch an der Wirksamkeit der Annahme etwas ändern“, Da die Klägerin die Bindungswirkung Ihres Angebots in der Erstmail nicht beschränkt hat, müsse sie sich daran halten.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Grundsätze der Abgabe und Zugangs von Willenserklärungen nach BGB auf und räumt sicher auch mit der landläufigen Meinung auf, Willenserklärungen seien stets frei widerrufbar. Dies ist eben nur möglich, wenn der Widerruf vor oder gleichzeitig bei Zugang bereits erfolgt ist.
Maßgeblich sei für den Zugang per Email der Eingang in den Geschäftsbereich und die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu den üblichen Geschäftszeiten. Sofern ein Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen, ist dies als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können. Elektronische Willenserklärungen in Form von E-Mails werden als Datei gespeichert von dem Mailserver des Absenders an den Mailserver des Empfängers weitergeleitet. Dieser wird über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt ist der Empfänger in der Lage, die E-Mail-Nachricht abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen