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BGH 06.12.2022: Rückgängigmachung eines sittenwidrig erwirkten Gesellschafterbeschlusses

Im Zusammenhang mit der Beendigung eines Treuhandverhältnisses bewirkte ein Geschäftsführer die Änderung der Gesellschafterliste zu Lasten der Klägerin, indem deren GmbH-Anteil von 20.000 EUR nicht mehrihr zugeordnet, sondern beide Anteile (20k und 5k) als von der Beklagten gehalten ausgewiesen wurde. Die Klägerin erwirkte per einstweiliger Verfügung einen Widerspruch zur Gesellschafterliste. Die Beklagte hielt trotzdem eine Gesellschafterversammlung ohne Ladung der Klägerin ab und beschloss die Änderung der Satzung wonach künftig für die Beschlussfähigkeit  und Beschlussfassung je 85 % erforderlich seien. Die Zielrichtung war offenkundig: die Klägerin solle selbst bei „Rückerlangung“ ihres 20.000 EUR Anteils (80 % der Anteile)  nicht mehr ohne zwingende Mitwirkung der Beklagten entscheiden können. Diese Änderung der Satzung wurde im Nov. 2011 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin erhob erst Ende 2016Beschlussmängelklage – erfolglos. Nach anderweitiger rechtskräftiger Feststellung in 2016, dass die Klägerin materiell nach wie vor Inhaberin des Anteils von 20.000 EUR, erhob die Klägerin im gegenständlichen Verfahren Klage auf Rückgängigmachung der durch die Beklagte allein durchgeführten Satzungsänderung von 2011

im Wege des Schadensersatzes. Der BGH hielt das Rechtsschutzbedürfnis für gegeben. Zwar könne die Klägerin nicht mehr durch Nichtigkeitsfeststellungsklage die Satzungsänderung zu Fall bringen, weil drei Jahre nach deren Eintragung in das HR eine solche Änderung als geheilt gilt (§ 242 AktG analog). Jedoch habe die Beklagte eine unerlaubte Handlung begangen, mit der sie die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin verletzt und sie zugleich vorsätzlich sittenwidrig schädigte. Der Fristablauf des § 242 AktG stehe nicht entgegen, weil sich die begehrte „Rückänderung“ der Satzung nur für die Zukunft auswirke (m.a.W. sind die in der Zwischenzeit durch die Beklagte gefassten Beschlüsse als wirksam anzusehen!). Das Verhalten der Beklagten sei als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB einzuordnen. Beklagte hat zur Änderung der Satzung eine formale Rechtsposition ausgenutzt, weil die Gesellschafterliste sie der materiellen Rechtslage zuwider als Inhaberin auch des Geschäftsanteils Nr. 1 auswies. Nur deshalb konnte die Gesellschafterversammlung vom 20. Oktober 2011 ohne Ladung der Klägerin abgehalten werden. Deshalb sei trotz der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Anfechtbarkeit des Satzungsänderungsbeschlusses wegen Heilung die Geltendmachung des auf die Zukunft gerichteten Satzungsänderungs- (rückgängigmachungs-) Begehrens wegen sittenwidrigen Handels der Beklagten zulässig. Der Umstand, dass die Klägerin bei Änderung der Satzung nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen war entfaltete nur formelle Legitimationswirkung nach § 16 GmbHG, die materiell rechtliche Gesellschafterstellung als solche und ihr Schutz vor sittenwidriger Schädigung durch einen Mitgesellschafter bleibt von ihr unberührt.